Jul
10

Realutopie gute Arbeit

(erschien in: Utopie kreativ 7/8, 2006)
 

„Ja, alles war elendig normal.
Wer sagt denn, dass die Welt schon entdeckt ist“
(Peter Handke).

Autofabrikanten stellen für ihre Produkte im gehobenen Preissegment umfangreiche Forschungen darüber an, wie ein satter Klang beim Schließen der Autotüren zu bewerkstelligen ist. Die bemannte Raumfahrt wird optimiert. Auf der Erde aber bleiben viele mögliche Bemühungen aus, die restriktiven und repetitiven, die subalternen und menschlich armen Tätigkeiten zu verringern.
Als Skandal erscheint dies nicht in einer sonst an Skandalen reichen Gesellschaft. Normal ist vielmehr die Indifferenz gegenüber den subalternen Arbeiten. Sie drückt einen bestimmten Sinn der Gesellschaft für die Arbeit aus: das Desinteresse, die Gleichgültigkeit und stumpfe Unempfindlichkeit für die Verödung menschlicher Sinne und Fähigkeiten sowie das Jobinteresse, mit dem die Fragen nach Arbeitsinhalten dem Arbeitseinkommen und Arbeitsplatz untergeordnet werden.

Es geht im folgenden darum, die prinzipielle Möglichkeit einer befreiten Arbeit stichpunktartig zu zeigen. Dabei wiederhole ich hier die andernorts (Creydt 2000) vorgetragene Argumentation nicht, die zeigt, wie die kapitalistischen Sozialstrukturen einer Gestaltung der Arbeit entgegenstehen, die sie zur guten Arbeit und zum Moment guten Lebens entwickelt, und auch normativ die gute Arbeit gar nicht erst als gesellschaftliches Leitbild hervortreten lassen.[1]

Auch die bspw. von Ulrich Beck vertretene Soziologie einer zweiten, reflexiven Moderne hat die Zurückbeugung bzw. selbstreflexive Wendung der technischen und arbeitsorganisatorischen Kompetenzen von der material- und arbeitskostensparenden Produktivitätssteigerung hin zur Erhöhung der menschlich-sozialen Attraktivität des Arbeitens nicht als eigene Aufgabe (an)erkannt. Vom Standpunkt einer Gesellschaftsgestaltung, die die Wirklichkeit der Arbeit, d. h. ihre Wirkungen auf die Lebensweise, die Individuen und die Gestaltung der Gesellschaft, ernst nimmt, wird die Einrichtung solcher Arbeitsplätze mit einer ‚Luxussteuer’ zu belegen und gezielt zu verteuern sein. “Ist die Arbeit notwendig und unumgänglich, dann können die Menschen nur dann frei sein, wenn sie die Produktion so organisieren, dass die Arbeit anziehend wird.” (Considerant 1845,229).

Die negativen Effekte der subalternen Arbeiten und der entsprechenden Arbeitsorganisation zu überwinden, das beinhaltet

  • die Reduktion der Masse von Arbeiten und des Umfangs des Arbeitens durch die Reduktion von unnötigen Arbeiten, die sich als Verschwendung menschlicher Sinne und Fähigkeiten auf nur im Kapitalismus nötige Produkte und Dienste erweisen (vgl. Creydt 2004), also durch Befreiung v o n diesen Arbeiten,
  • eine nicht-regressive Überwindung von Spezialisierung sowie eine Erweiterung und Anreicherung von vormals bornierenden Arbeiten mit Tätigkeiten, die ihre menschliche Reichweite erhöhen, also Befreiung i n den Arbeiten,
  • die Perspektive, in die Arbeiten den Bezug auf die Bedingungen ihrer Möglichkeit, auf die Interessen an ihr, auf ihre Adressaten und die indirekt von ihr Betroffenen in die Arbeit selbst zu internalisieren,
  • das Projekt, unaufhebbar banale Arbeiten entweder zu maschinisieren [2] oder zu einer Angelegenheit zu machen, die rotierend von allen erledigt wird. Die selbst nach aller gesellschaftlich aufzubringenden Anstrengung nicht zu verringernden unattraktiven, repetitiven und bloß ausführenden Arbeiten auf alle Arbeitsfähige aufzuteilen - dies wirkt der Enthebung der höher Qualifizierten von der Realität der dürftigen Arbeiten entgegen.

Wer in dieser Perspektive entnervende, ermüdende und anstrengende Arbeiten maschinell erledigen lassen will, hat praktisch Sorge dafür zu tragen, dass die Massenfabrikation nicht von ihrer Eigenschaft als “Tätigkeitsfeld für Maschinen” bestimmt wird und dann “kaum Aufgabenwerte für eine breite Schicht der Erwerbstätigen zulässt” und insofern “kein Aufgabenfeld persönlicher Einwirkung” darstellt (Pernsteiner 1984,36). Not-wendig wird es, eine Engführung der Technik auf die Erhöhung der Mehrwert- und Profitrate aufzuheben. Sie ist für den Kapitalismus und für die unreflektierte Moderne typisch. Die so verursachte praktische und theoretische Entwertung der Arbeitszeit als Lebenszeit ist zu überwinden. Not-wendig ist eine Umgestaltung der Technologie, um die bisherige historische Tendenz umzukehren, “menschliches Wissen zu objektivieren und dem Arbeiter als fremde, ihm feindliche Kraft entgegenzustellen” (Cooley 1978,208). Soll die mit der gegenwärtigen Technik meist verbundene Depotenzierung menschlicher Sinne und Fähigkeiten überwunden werden, so wird eine auf den arbeitenden Mensch zentrierte Technik notwendig, “die menschliche Arbeit nicht allein unter ihren funktionalen Aspekten für die Produktion zu betrachten, sondern als eigenen Bezugspunkt für die Entwicklung von Produktionskonzepten” (Pekruhl 1995,116). “Qualifikationen dienen (dann - Verf.) nicht allein der Bewältigung je gegebener Arbeitsaufgaben, sondern auch der Gestaltung und Weiterentwicklung der Arbeitstätigkeit selbst” (ebenda 118). Anzustreben ist eine Technologie, “die von den Arbeitern dazu verwendet werden könnte, bestimmte Bereiche ihrer Tätigkeit zu automatisieren, ohne jedoch gleichzeitig den lebendigen Arbeiter zum bloßen Anhängsel der ‚lebendigen Maschinerie’ zu degradieren” (Löw- Beer 1981, 93). Es geht um eine Neuversinnlichung von Arbeit und einen Paradigmenwandel in der Technik, demzufolge beide daraufhin beurteilt werden, inwieweit sie sensitive und intellektuelle Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitenden aktivieren. “Telechirische Instrumente” [3] sollen “die historische Tendenz umkehren, die menschliche Geschicklichkeit zu vermindern oder zu verobjektivieren” (Cooley 1979). Die beiden Weisen des Produzierens - die Steigerung des Output durch Maschineneinsatz, die Bildung des Menschen durch sinnlich-intellektuelle Vergegenständlichung - stehen gegenwärtig gegeneinander. Es kommt demgegenüber darauf an, dass sie sich ergänzen und fördern - in einer “Rückkehr der menschlichen Hand in den Produktionsprozess, die sie nicht wieder an ihn kettet” (Heinemann 1982, 184).

Eine Reduktion der Massenproduktion und eine Inkaufnahme von Effizienzminderung werden in dem Maße dringend, wie die negativen Effekte der Massenproduktion und Effizienz als nicht marginalisierbar erscheinen. Gegenüber einer “quantitativen Arbeitsteilung” und “Aufgabenzertrümmerung” geht es um eine “qualitative Arbeitsteilung” (Pernsteiner 1984, 36). Maßstab dieser qualitativen Arbeitsteilung ist die “Realisierung vollständiger individueller Handlungsbögen, innerhalb derer diskursiv und handelnd Zielsetzung, Mittelfestlegung, Planung, Realisation, Produktion von Ergebnissen, Bezug zum Nutzen, Erfolgskontrolle und soziale Resonanz in Beziehung gesetzt werden können (das heißt nicht, dass jedes dieser Handlungselemente, die zugleich die Grundfunktionen von Arbeit umfassen, von jedem Individuum komplett realisiert werden müsste)” (Girschner 1990,159).

In der Arbeitsorganisation sind in der Moderne und im Kapitalismus Hierarchien vorherrschend - mit den entsprechenden Subalternitätseffekten unten und den Effekten von ‚Verantwortungsübernahme’ oben, inklusive der Legitimation der Hierarchie aus den wenig interessierten und wenig umsichtigen Handlungen der Untergebenen. Wo die ‚unten/oben’- Dimension im Vordergrund steht, werden unabhängig von den sozialen Inhalten der Arbeit das ‚Aufsteigen’ und das ‚Bestimmertum’ durch die damit verbundenen Weisungsbefugnisse, Freiräume und finanziellen Einkommenssteigerungen relevant. Eine statusbezogene Orientierung legt sich über die gesellschaftliche Arbeit. Demgegenüber zeigen die Kibbuzim in Israel, dass moderne Arbeit sich mit Ämterrotation und der massiven Vergrößerung der Zahl der auch für Leitungsstellen infragekommenden Mitglieder verträgt (vgl. Creydt 2005).

Für ein befreites Arbeiten geht es darum, Verantwortung i n der Arbeit zu ermöglichen. Verantwortung ist auszuweiten über die Gewährleistung der immanenten Leistungserfordernisse des Arbeitens hinaus auf ihre menschlich-sozialen Voraussetzungen, direkten und indirekten Wirkungen. “Sich mit einem Beruf zu identifizieren heißt, ihn als eine soziale Kompetenz zu begreifen, die Verantwortung einschließt, heißt Abstand zu gewinnen zur Funktion, die man in der Produktion ausübt, heißt die sozialen, ökonomischen und kulturellen Ziele dieser Produktion zu hinterfragen” (Gorz 1991, 133).

Schon die Abwendung der ökologischen Misere erfordert ein höheres Engagement der arbeitenden Menschen in ihrer Arbeit. “‘Das unermessliche Wissen über Verschwendung, Betrug, Fahrlässigkeit und andere Untaten, das Beschäftigte von Unternehmen, Behörden und anderen Bürokratien besitzen’, ist nach Ralph Nader ein weitgehend ungenutztes und unterschätztes Potential, um den Folgen der ‚institutionellen Unverantwortlichkeit’ von Organisationen vorzubeugen. Dieses Potential zu erschließen, hieße ‚Verbraucherschutz von der Produktion aus’ (Offe) zu organisieren und die Schranke zwischen den Funktionsrollen der Erwerbsarbeit einerseits und des Konsumenten, des Haushalts und des Staatsbürgers andererseits spürbar einzuebnen - durch ‚on-the-job-citizenship’, wie es Nader nennt” (Wiesenthal 1989,43). Und was für die Umweltverschmutzung gilt, gilt auch für die Innenweltverschmutzung durch subalterne Arbeiten.

Wer die Wirklichkeit der Arbeit ernstnimmt und also nicht nur die Arbeitsprodukte als Resultat der Arbeit auffasst, sondern auch die indirekten psychosozialen Effekte der Arbeit, wird sein Verständnis von Sinnhaftigkeit der individuellen Existenz auf Verantwortung und Arbeit beziehen. Die moderne Verlängerung der Handlungsketten und die Spezialisierung, die arbeitsteilige Vermitteltheit der Arbeiten durch zahlreiche andere Arbeiten lassen das einzelne Tun partialisiert und konkretistisch am jeweiligen Teilabschnitt ‚kleben’ und den Überblick über die Verwendung der Produkte und ihre Effekte nicht zustande kommen. “Unser Arbeitsprodukt geht uns nichts mehr an. … die unendlich breite Kluft zwischen unserer Tätigkeit und dem, was durch diese irgendwann irgendwo bewirkt wird, macht nun unser Leben … tatsächlich sinnlos” (Anders 1988,364). Anders bezieht “die Frage nach dem ‚Sinn’ unseres Tuns, namentlich unseres Arbeitens” auf “die antizipierende Frage: Was ist der Effekt des Effektes des Effektes der Verwendung des Produktteils, den ich mit-herstelle, und dessen Herstellung vorgibt (da sie mich ja beschäftigt), meinem Leben ‚Sinn’ verleihen?” (ebd. 389). Es geht darum, “aus dem Jetzt herauszutreten und uns in einen sehr breiten, oft unwahrnehmbaren, nur vorstellbaren, oft noch nicht einmal vorstellbaren, sondern nur denkbaren, Raum der Voraussicht und der Verantwortung hinein zu begeben” (ebd. 389). [4]
Die Arbeitsunzufriedenheit und die ‚inneren Kündigungen’ [5] geben einen Hinweis auf die negativen Effekte von Arbeit. In diesem Horizont und aus der Negation des Negativen lässt sich aber nicht entwickeln, was Arbeit im emphatischen Sinne ist. Die Kritik an der zu hohen Belastung von Menschen, an ihrer Unter- oder Überforderung trifft zentrale Effekte der gegenwärtigen Arbeit und der Existenz der Menschen in den bestehenden Organisationen und im Erwerbs- und Geschäftsleben. Zugleich wird der Mensch hier nur als ein im quantitativen Maß richtig, also nicht zu über- und zu unterlastender Leistungserbringer gefasst. So gravierend fallen die Verletzungen aus, dass das Verständnis von gedeihlicher Existenz an ihnen Maß nimmt, also in der Negation des Negativen verbleibt und dann hinausläuft auf … artgerechte Tierhaltung.

Die Kritik an der Einseitigkeit in der Arbeit und im gegenwärtigen Erwerbs- und Geschäftsleben betrifft ein Phänomen, das anzeigt, dass hier etwas im Argen liegt. Die Perspektive aber, der Einseitigkeit eine Vielseitigkeit gegenüberzustellen, führt erst einmal nicht notwendig hinaus über die Komplettierung der einen Einseitigkeit durch andere Einseitigkeiten. Vielseitigkeit beinhaltet nicht notwendig einen menschlich sinnvollen Bezug der verschiedenen Momente aufeinander, sondern ermöglicht ebenso eine Verzettelung der Existenz bzw. die ironische oder hysterisierende Manier, Wirklichkeiten gegeneinander auszuspielen, die das Individuum imaginärerweise überall und nirgends sich herumtreiben lässt. Man tanzt auf allen Hochzeiten und kommt zur eigenen zu spät.

Ebenso wenig ist der für sich genommen verständliche Wunsch nach gemütlicheren Arbeitsverhältnissen perspektivweisend. Zwar trug zur Legitimation der DDR als “Land der Werktätigen” deren im Vergleich zum Kapitalismus geringere betriebliche Subsumtion unter wirtschaftliche Imperative bei. Die vergleichsweise starke Stellung der Arbeitenden im Betrieb (wg. Arbeitskräftemangel durch Massenflucht, fast keinerlei Entlassungsmöglichkeiten für Betriebsleitungen, Mitbestimmungsmöglichkeiten auf unterer Ebene) war im wesentlichen eine Negativ- oder Vetomacht und korrespondierte nicht mit einer positiven Umgestaltung der Arbeit. Zum höheren Stellenwert gemütlicher Arbeit trug der Unterschied in der Sozialintegration zu entwickelten kapitalistischen Ländern (‚Individualisierung’) bei: Vergemeinschaftung fand nicht vorrangig in der Familie und im Freizeitbereich, sondern auch und gerade im Arbeitskollektiv statt. [6] Die unmittelbare Arbeit war gekennzeichnet durch massenhafte Beschäftigung unter Ausbildungsniveau [7], durch im Vergleich zur BRD durchschnittlich geringer qualifizierte Arbeiten, durch Schlendrian und Langeweile im Betrieb aufgrund von immer wieder auftretenden Engpässen, aber auch durch Stolz auf das Improvisationsvermögen und die Leistungsfähigkeit in stoßförmiger Übermobilisierung von Arbeitskraft. Im Verhältnis zwischen Kunden und Arbeitenden dominierten Letztere. Es ergab sich im ‚Land der Werktätigen’ eine Befreiung der Arbeit nur in dem Sinn, dass die Arbeitenden in der Arbeit zeitweise eine größere Gemütlichkeit und einen ruhigeren und weniger getriebenen Gang pflegen konnten und weniger Rücksicht auf die Kunden zu nehmen hatten als im Kapitalismus. [8]
Es geht nicht allein darum, die Arbeiten subjektiv ‚anziehend’ zu machen. Vielmehr müssen die Arbeit auf ihre menschlich-sozialen Voraussetzungen und Effekte durchsichtig gemacht und die Arbeiten so gestaltet werden, dass sie die gesellschaftliche Selbstgestaltung nicht blockieren oder Aufmerksamkeit und Sinn für sie veröden. “Arbeit mit Reflexion zu verbinden, heißt u. a. Zusammenhänge des Produktes und Gesamtproduktionsprozesses für das einzelne Organisationsmitglied verstehbar und einer Gestaltung zugänglich zu machen” (Girschner 1990,182). Eingeschlossen ist eine Verflüssigung der Trennung zwischen Leitung und Planung einerseits, Ausführung andererseits. Es geht nicht um die Devise ‚alle machen alles’. Das Maß der not-wendigen Veränderung findet sich im Abbau oder der Vermeidung der die Individuen verarmenden und die Gestaltung der Gesellschaft durch sie hintertreibenden Effekte. Reflexion heißt etwas anderes als pragmatisch-immanente “Richtigkeits-, Verfahrens- oder Erfolgskontrolle” (Girschner 1990,172). Vielmehr geht es darum, einen Abstand zu gewinnen, aus dem “das distanzierend-kritische Befragen und Überdenken der Strukturen, Prozesse, Arbeiten sowie Ziele, Aufgaben, Problemlösungen und Selbstverständnisse” möglich wird (ebd. 172f.). Inhaltlich geht es “bei der Reflexionsfähigkeit der Organisation um ein problemsensibles verantwortliches Handeln, indem u. a. nach dem Sinn und Nutzen der Produkte gefragt und die Auswirkung des Organisationshandelns auf das Leben und Zusammenleben der Menschen in Rechnung gestellt werden soll” (Girschner 1990,175). Wichtig dabei ist, dass “reflexives Handeln für die Subjekte nur dann sinnvoll und bedürfnisbefriedigend (ist), wenn es zugleich intentionales Handeln ist. Dieses wiederum ist auf Handlungswirkungen angelegt. Reflexionen allein genügen den Organisationsmitgliedern nicht. Daran anknüpfende Problemlösungsvorschläge müssen auch in als ausreichend erlebter Häufigkeit realisiert werden” (Girschner 1990,202).

Für die hier skizzierte radikale Umgestaltung der Arbeit ist keine Aufhebung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung notwendig, keine Orientierung am alten Handwerker- [9] und Bauernideal. Allerdings müssen wir “nach einem funktionalen Äquivalent für die Ganzheitlichkeit der Arbeit suchen (sie war bei dem … Bauern noch durch die Integration aller Arbeitselemente auf der personalen Ebene gegeben)”. Denn der “Sinn einer Arbeit (wird) … aus ihrer Funktion in einem weitergreifenden Bedeutungshorizont und aus darauf gerichtetem intentionalem Handeln abgeleitet. … In großen komplexen Organisationen ist die sinnhafte Ganzheitlichkeit der Arbeit nur virtuell und kommunikativ in Grundformen herstellbar. … Es kommt danach nicht so sehr darauf an, dass das von einem Einzelnen zu erzielende Arbeitsergebnis das ganze Produkt ist, auch wenn die objektverändernde ausführende Arbeit bestimmten arbeitsinhaltlichen Anforderungen genügen muss. Von besonderer Bedeutung ist vielmehr die Möglichkeit der verstehbaren und beeinflussbaren Einordnung der eigenen Arbeit in den arbeitsteiligen Gesamtprozess” (Girschner 1990,198f.).

Es geht um eine Transparenz der Informationsflüsse in der Organisation für alle Interessenten und um eine Aufhebung der Gegensätze zwischen den verschiedenen Organisationsabteilungen (vgl. dazu auch Creydt 2000, 186ff., Schütz 2003). Anzustreben ist die “Beteiligung von Mitarbeitern an argumentativen Prozessen, von deren Ergebnissen sie direkt betroffen sind…, (die) Schaffung struktureller Freiräume argumentativer Verständigung in überblickbaren, relativ autonomen Handlungseinheiten durch Dezentralisierung, Delegation von Kompetenzen, Abflachung der Hierarchie, Entstandardisierung von Abläufen” (Ulrich 1993,434).

Die Aufmerksamkeit der Arbeitenden für die menschlich-sozialen Voraussetzungen und Effekte des Arbeitens und der Arbeiten ist eine in Ansätzen bereits vorliegende Tendenz. Einer Untersuchung zufolge “geben über 50% hochqualifizierter Angestellter in Metall- und knapp 40% in Chemie-Berufen an, sich während ihrer Tätigkeit mit ethischen Fragen konfrontiert zu sehen. Insgesamt lehnt lediglich ein Sechstel praktische Widerstandshaltungen von vornherein ab” (Lenk, Maring 1992,708). Eine Studie des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen (SOFI) über berufsmoralische Konflikte von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern kommt zu dem Ergebnis, “dass der öffentliche Diskurs auch bei den betrieblichen Experten ‚angekommen’ ist und dass die Folgen des eigenen Tuns kritisch in den Reflexionshorizont der Fortschrittsmacher getreten sind und zu einer gewissen Verunsicherung geführt haben. … Klar ist, dass die von den betrieblichen Experten zu Protokoll gegebenen ethischen Bedenken mehr sind als modische Selbstbezichtigungen ohne praktische Folgen. Dies zeigen schon die inzwischen zahlreichen Fälle, in denen (auch und gerade) hochqualifizierte Angestellte aus Gewissensgründen die Ausführung bestimmter Arbeiten verweigerten oder die ‚Flucht in die Öffentlichkeit’ antraten” (Baethge, Denkinger 1994,5f.). Die Bedeutung von Dissidenten aus dem harten Kern der Trägerschichten des ‚technischen Fortschritts’ ist seit Klaus Traubes spektakulärer Wandlung vom Atomdirektor zum Streiter für alternative Energien in den 70er Jahren ins Bewusstsein gerückt. Beck setzt - wie immer etwas hoffnungsfroh - auf eine “ökologische Sensibilisierung der Wirtschaft” und sieht sie begründet in den Nachwuchsproblemen, die Betriebe der “Gefährdungsindustrien” sowohl bei Facharbeitern als auch bei Hochqualifizierten “haben oder befürchten” (Beck 1993,198). In umstrittenen Einrichtungen (der Forschung oder der Produktion) sähen sich die ‚Macher’ “Dauerbefragungen” und “Dauerkritik” ausgesetzt aus ihrem persönlichen Umfeld (ebenda). Dass betriebsintern ein Ethos alles andere als marginal verbreitet zu sein erscheint, der sich nicht unter die betrieblichen Zwecke beugen lässt, wenn diese in den Bereich des Kriminellen übergehen, zeigen die staatlichen Ermittlungsverfahren bei Umweltschutzdelikten an. Etwa die Hälfte der hier einschlägigen Hinweise stammen von Betriebsangehörigen oder ehemaligen Mitarbeitern (Lenk, Maring 1992, 708). Eine Studie des Göttinger Soziologischen Forschungsinstituts (SOFI) ergibt: “Industriefacharbeiter scheinen dem Umweltschutz aufgeschlossener gegenüberzustehen, als vielfach vermutet wird. Das gilt selbst für Beschäftigte aus der Chemieindustrie, obwohl ihre Arbeitsplätze womöglich am ehesten durch strengere Umweltschutzauflagen gefährdet würden. … Diese Aufgeschlossenheit wird vom SOFI darauf zurückgeführt, dass viele Chemiearbeiter im alltäglichen Umgang mit Chemikalien und durch laufende Sicherheitsbelehrungen erkannt haben, ‚wie gefährlich Chemie ist’” (FR 23.2. 1988).

Baethge sieht einen “Kristallisationspunkt auch sozialer Identität und politischer Organisierung” in der “moralischen Qualität der Arbeit - das meint die Berücksichtigung von Sinnbezügen, das Interesse am Erhalt der inneren und äußeren Natur und die Herstellung diskursiver Kommunikation in der Arbeit. … Keine Belege, wohl aber erste Indizien, dass es dafür subjektive Voraussetzungen gibt, sind die Befunde über die beträchtliche ökologische Sensibilität von Arbeitern und von hochqualifizierten Industrieangestellten … oder der Hinweis aus der Untersuchung … über die Entstehung eines postkonventionellen Moralbewusstseins bei Facharbeitern. Gewiss ist dies noch eine arg schmale empirische Basis, aber: was das Morgen ankündigt, kann heute ja kaum schon repräsentativ sein” (Baethge 1994, 254).

Die Aufmerksamkeit der Arbeitenden über die Bewältigung der Arbeit hinaus auf den Gehalt des Arbeitens und der Arbeitsresultate im sozialen In-der-Welt-Sein lässt sich auch in den französischen ‚Sud’-Gewerkschaften finden. ‚Sud’ ist die Abkürzung für solidaire(s), unitaire(s), démocratique(s) - solidarisch, einheitlich, demokratisch. Es handelt sich bei diesen Gewerkschaften um “Interessenverbände von Lohnabhängigen, die sich nicht auf ihre Rolle als Lohnabhängige reduzieren (lassen) oder zurückziehen, sondern die sich als gesellschaftliche Produzenten begreifen, als Produzenten, die sich dem gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit, den Bedürfnissen ihrer Konsumenten oder Nutzer verpflichtet fühlen. Nicht im Sinne einer ‚Kundenorientierung’, die nur an zahlungsfähigen Käufern interessiert ist, sondern im Sinne des Nutzens für eine größtmögliche Zahl von Menschen, gerade auch der ärmsten und bedürftigsten, im Interesse ihrer individuellen Entwicklung und sozialen Gleichachtung” (Imhof 2002). Im Unterschied zu traditionellen Gewerkschaften konzentrieren sich die Sud-Gewerkschaften weder allein auf den Preis der Arbeitskraft und die Bedingungen ihrer Nutzung noch überlassen sie das Verhältnis der Arbeiten zu den Kunden den Unternehmen. “Der traditionelle Syndikalismus betrachtet das Kapitalverhältnis als seine Existenzbedingung und die Gesellschaft als etwas ihm Äußerliches, als abstrakt-übergeordneten Zusammenhang, in dem man halt lebt. Er stellt Ansprüche an die Gesellschaft, repräsentiert durch den Staat, aber er denkt nicht daran, im Namen der Gesellschaft Ansprüche an die eigene Arbeit zu stellen. Der Typ Syndikalismus, den die Sud-Gewerkschaften repräsentieren, betrachtet umgekehrt die Gesellschaft als praktischen Zusammenhang der Menschen, in dem die Lohnabhängigen nicht nur Objekte, sondern zugleich tätige Subjekte, gesellschaftliche Produzenten sind und in dieser Eigenschaft das Kapitalverhältnis und die es schützende Politik als Hindernis, als ‚Ballast’ (Gramsci) erleben” (Imhof 2002).

Nicht nur eine ökologische oder eine die Verschwendung beseitigende, sondern eine für das Individuum nicht nur pflegliche, sondern es erfüllende Gestaltung der Arbeiten wird notwendig. Mit weltlosen Individuen ist keine Gestaltung der gesellschaftlichen Welt durch die Menschen selbst möglich. Die Qualität der Arbeiten sowie ihrer Synthesis entscheidet über Subalternität, Abstumpfung, Apathie, Unzuständigkeit und Verantwortungslosigkeit, Desinteresse, Konkurrenz, Neid, Minderwertigkeitsgefühl - inkl. entsprechenden Kompensationen. Werden die Menschen nicht über ihre Arbeiten auf das Allgemeine bezogen, führen sie nicht auch in ihren Arbeiten ein allgemeines Leben, so schlägt sich das Desinteresse am Allgemeinen als Schaden nieder. Ohne intrinsische Motive der Beteiligung an der Arbeit, ohne die Überwindung von Eigentumsorientierung und Desinteresse fürs Allgemeine wird die Konkurrenz zum Zwangsmotiv und es verselbständigt sich ein (dann:) abstrakter Reichtum gegen die Menschen (vgl. dazu Creydt 2000, Teil II).

Die kapitalistische Gesellschaft erweist sich als Form, die die in ihr hervorgebrachte Fülle von Möglichkeiten blockiert, die Arbeit zur guten Arbeit zu gestalten und damit menschliche Sinne und Fähigkeiten sozial sinnvoll bezogen zu entfalten. Erst eine Realutopie guten Arbeitens (verbunden mit einer Realutopie von nachkapitalistischer Wirtschaft und sozialer Synthesis [10]) überwindet die mystifizierende Sachzwangideologie, der zufolge die Arbeit keine andere Wirklichkeit haben kann als die herrschende Realitätsbeschreibung weismachen will. Erst eine Perspektive, die den im Kapitalismus angelegten nachkapitalistischen Reichtum herausarbeitet, ermöglicht den Paradigmenwechsel von der einseitigen Fokussierung auf Opfer und Ausgegrenzte hin zur selbstbewussten Abwertung der herrschenden Formen zum überkommenen Prokrustesbett des nachkapitalistischen individuellen und sozialen Reichtums und guten Lebens. Wer seinen Zugang zur gesellschaftlichen Wirklichkeit der Selbstbeschreibung der herrschenden Realität entlehnt, wird in ihr auf der linken Seite als Bittsteller für eine sozial glimpflichere und schonungsvollere Behandlung der Untergebenen existieren. Viele Linke sind sich bei allen Gegensätzen zwischen dem Votum für Realpolitik einerseits, pseudoradikaler Negation von Arbeit andererseits (vgl. zur Kritik Creydt 1999), einig im defensiv-phantasielosen Verzicht auf eine Arbeit an Konzepten dafür, wie eine andere Welt (und nicht nur eine andere Verwaltung des Bestehenden) möglich sein kann.

Anmerkungen:

[1] Vgl. bspw. Habermas, der von vornherein grundbegrifflich alle Chancen der Emanzipation der (der Arbeit gegenübergestellten) Interaktion und der Lebenswelt (im Unterschied zum ‚System’) zuschreibt und Arbeit in ihrer eigenen konstitutiven Formung des menschlichen In-der-Welt-Seins zum Nichtthema degradiert.

[2] In Verkaufseinrichtungen können monotone und unattraktive Kassierertätigkeiten durch Kassen eingespart werden, die die von den Kunden ausgewählten Waren automatisch registrieren. Supermarktketten sind dabei, diese Innovation zu realisieren. Ebenso lässt sich bspw. der Umfang der wenig attraktiven Arbeit des Briefträgers durch einen vermehrten Anteil an elektronischer Kommunikation senken.

[3] ‘Telechirics’ bezeichnen “ferngesteuerte Maschinen, bei denen ein Mensch einen oder mehrere Manipulatoren über seine Distanz hinweg steuert, indem er die natürliche Geschicklichkeit seiner eigenen Arme benützt und ein ‚Feed-Back’ an sensorischen Informationen von den Greifarmen und der Region, in der sie arbeiten, erhält” (Thring 1973,93). “Eine Vielzahl von Umständen des Arbeitsprozesses kann es erforderlich machen, telechirische Geräte einzusetzen: Radioaktivität, Steinschlag, Explosionsgefahr, Gift, Arbeiten im Weltall oder unter Wasser, Hitze, Kälte, Lärm, Temperaturschwankungen etc.” (Löw-Beer 1981,94).

[4] Gerade therapeutische oder quasireligiöse Sinnangebote verdrängen diese Sinnleere. Sie machen nicht deren Grund und Ursachen zum Gegenstand, sondern “behandeln statt die effektive Sinnlosigkeit nur das Gefühl der Sinnlosigkeit” (ebd. 367), “so als wäre dieses Gefühl das eigentliche Unglück, nur dessen Beseitigung erforderlich; so als wäre der Zahnschmerz die Krankheit” (ebd. 365). Es geht dann nurmehr um die subjektive Funktion des Sinns, ein Sinn-Gefühl auch dort zu schaffen, wo faktisch kein Sinn ist, nur um dies nicht erleiden zu müssen. Übergangen und verstellt wird so, dass die “Sinnlosigkeit ein völlig berechtigtes Gefühl, ein Zeichen von unbeschädigter Wahrheitsbereitschaft, um nicht geradezu zu sagen: ein Symptom von Gesundheit” darstellt (ebd. 369f.).

[5] “Die Gallup-Studie 2005 (1800 repräsentativ Befragten aus deutschen Unternehmen) belegt, dass nur 13 Prozent ihrem Arbeitsplatz gegenüber eine hohe emotionale Bindung verspüren, 69 Prozent lediglich Dienst nach Vorschrift machen und 18 Prozent überhaupt keine emotionale Bindung zu ihrem Job besitzen. Bei letzteren passt der Begriff innere Kündigung. Welche Auswirkungen hat das? Für den einzelnen Betroffenen ist es ein krankmachender Zustand. Für das Untermehmen bedeutet es Minderleistung, Fehlzeiten, steigende Personalkosten, ein sinkendes Leistungsniveau aller Mitarbeiter, Verlust kreativer Potenziale, Imageverlust und vieles mehr. Den gesamtwirtschaftlichen Schaden durch innere Kündigung beziffert Gallup für Deutschland auf rund 250 Milliarden Euro im Jahr” (Petersen 2005).

[6] Im Unterschied zur totalismustheoretischen Diagnose von Vereinzelung “ähneln die Verkehrsformen am Arbeitsplatz jenen in frühen handwerklichen Produktionsverhältnissen. Man nimmt sich Zeit füreinander … . Ausgehandelt wird, wie eine Autoreparatur während der Arbeitszeit unterzubringen ist und welcher Kollege heute die privaten Einkäufe für alle erledigt. Bereitwillig werden Tips gegeben, wie man an Wohnungen, Lehrstellen und jedwede Mangelware herankommt, wie man sich bei Scheidungen oder anderen Konflikten verhält. … Man ist miteinander vertraut, weil man aufeinander angewiesen ist. Böswillig formuliert: Es ist eine Notgemeinschaft - wie im Luftschutzkeller” (Böhme 1982, 26f.). Birgit Müller beschreibt ein Ergebnis ihrer teilnehmenden Beobachtung in drei Berliner Industriebetrieben in den ersten Nach-Wende-Jahren: “Die Arbeitsbeziehungen, die sich ungeplant in der Planwirtschaft entwickelt hatten, wurden nun mit Nostalgie erinnert. Arbeiter und Angestellte mussten feststellen, dass ein gewisser Freiraum, der sich in den Nischen der Planwirtschaft entwickeln konnte, verschwunden war. Die Zeit, die sie nun im Betrieb verbrachten, war zwar kürzer, aber sie war mehr auf Leistung ausgerichtet und weniger mit sozialem Leben erfüllt” (Müller 1993, 267).

[7] “25% aller Facharbeiter wurden offiziell nicht gemäß ihrer Qualifikation beschäftigt. Dabei ist die Zahl derjenigen Arbeitskräfte, die ohne entsprechende Aufgabenprofile nur formal als Facharbeiter beschäftigt wurden, noch nicht berücksichtigt”" (Hinz 1990, 14). “Bei aller Vorsicht, die aufgrund unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen bei der Datenerhebung im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit von industriesoziologischen Studien angebracht ist, fällt die Kluft zwischen der DDR und der BRD ins Auge. Anspruchsvolle, Theorie und Erfahrungswissen erfordernde Aufgabenzuschnitte, die nach Adler knapp 3% der Beschäftigten in avancierten Betrieben mit flexiblen Maschinensystemen in der DDR ausüben, prägen vorsichtig geschätzt bei 20% der Arbeitsplätze in der metallverarbeitenden Industrie in der BRD das Bild” (Ebd., 16).

[8] Am Eingang von DDR-Restaurants stand oft das Schild: “Bitte warten Sie, Sie werden plaziert.” Auch wenn das Restaurant leer war, war es unüblich, sich selbst an einen Tisch setzen zu dürfen. “Der Kellner lässt die Tische unbesetzt, stellt grundlos auf einige das Schild ‚Reserviert’, bedient langsam und mürrisch. Am nächsten Tag versorgt er die Gäste flott, bedient zuvorkommend und freundlich. Im ersten Fall hat er keine Lust auf Gäste. Es ist ihm wichtiger, mit den Küchenmädchen zu plaudern, mit seinen Kollegen die neuesten Fußballergebnisse durchzugehen oder die Zeitung zu lesen. Im zweiten Fall hat der Kellner Lust auf Gäste. Es macht ihm Spaß vorzuführen, wie gut er sein Handwerk beherrscht. Sein persönliches Wohlbefinden ist ihm wichtiger als Trinkgeld. Das Kellner-Beispiel ist exemplarisch. Es gilt für das ganze Land. Am Gemüse-Konsum hängt das Schild ‚Wegen Warenannahme geschlossen’ - die Verkäuferinnen sind unterwegs, um Salamanderstiefel zu ergattern. An der Kasse wächst die Schlange - die Verkäuferin bespricht mit einer Freundin ihr Liebesleid. Auf dem Wohnungsamt sind zur offiziellen Besuchszeit alle Bürotüren zugesperrt, hinter einer erschallt Gelächter, man feiert den Geburtstag eines Kollegen. Allerorts gilt die Devise: Privat geht vor Katastrophe. … Beschwert sich ein Kunde, hat das meist Folgen für ihn. Er lässt sich besser an diesem Ort nie wieder blicken, denn er hat versucht, seinesgleichen ‚in die Pfanne zu hauen.’ Das ist eine hohe Form der Beleidigung und wird mit Verachtung geahndet” (Böhme 1982, 30f.).
“O nicht genug zu preisende Langsamkeit
Der nicht mehr Getriebenen! Schöne Unfreundlichkeit!
Der zum Lächeln nicht mehr Zwingbaren!” (Heiner Müller, Gedicht ‚Film’ In: Geschichten aus der Produktion Bd. 1, Berlin Rotbuch-Vlg.)

[9] Eine Einschätzung der von Frithjof Bergmann propagierten ‚New-Work’-Projekte zum ‚High-Tech-Self-Providing’ klammere ich hier aus - vgl. skeptisch dazu Hildebrandt 1999 und neuere Informationen bei Nahrada 2005.

[10] Für die hier nicht thematisierbaren Vorschläge zur nachkapitalistischen Synthesis der Arbeiten, der Arbeitenden, der Verbraucher sowie der sonst von Arbeit, Technik und Konsum Tangierten vgl. Creydt 2001, 2003, 2006.

Literatur:

Anders, Günter 1988: Die Antiquiertheit des Menschen. Bd. 2. München
Baethge, Martin 1994: Arbeit und Identität. In: Beck, Ulrich und Beck-Gernsheim, Elisabeth (Hg.): Riskante Freiheiten. Frankf.M. 1994
Baethge, Martin; Denkinger, Jochen 1994: Das Dilemma der ‚Fortschrittsmacher’. In: Wechselwirkung H. 68, S. 4 - 8
Beck, Ulrich 1993: Die Erfindung des Politischen. Frankf. M.
Böhme, Irene 1982: Die da drüben. Sieben Kapitel DDR. Berlin (Rotbuch-Verlag)
Considerant, Victor 1845: Kurzer Abriß von Fouriers Phalanxsystem.In: Höppner, J; Seidel-Höppner,W. (Hg.): Französischer Sozialismus und Kommunismus vor Marx, Bd.II Texte. Leipzig 1975
Cooley, Mike 1978: Design, technology and production for social needs. In: Ken Coates (ed.): The Right to useful Work. Nottingham
Cooley, Mike 1979: Entwurf, Technologie und Produktion für gesellschaftliche Bedürfnisse. In: Wechselwirkung: Heft 0, Berlin
Creydt, Meinhard 1999: Arbeit als Perspektive. Argumente für einen kritischen und erweiterten Arbeitsbegriff. In: Weg und Ziel H. 2, Jg.57 Wien
Ders. 2000: Theorie gesellschaftlicher Müdigkeit. Frankf. M.
Ders. 2001: Partizipatorische Planung und Sozialisierung des Marktes. Aktuelle Modelle in der angelsächsischen Diskussion. In: Widerspruch (Zürich), Bd. 40, 2001. Andere Varianten in: Marxistische Blätter 3/2001, Volksstimme Nr. 45/2000 , Berliner Debatte Initial Nr.3/ 2001
Ders. 2003: Die institutionellen Strukturen nachkapitalistischer Gesellschaften. In: Olaf Reissig u. a. (Hg.): Mit Marx ins 21. Jahrhundert. Hamburg 2003
Ders. 2004: Sparzwang und Verschwendung. In: Sozialistische Zeitung 1, Jg. 19
Ders. 2005: Kibbuz und nachkapitalistische Sozialstrukturen. In: Streifzüge Nr. 35, Wien; Sozialistische Hefte, Nr. 9, Köln; Graswurzelrevolution, Nr. 305, 34. Jg., Münster 2006;
Ders. 2006: Die Überwindung des Weltmarktes. In: Bruchlinien, H. 17. Wien
Girschner, Walter 1990: Theorie sozialer Organisationen. Weinheim und München
Gorz, André 1991: Und jetzt wohin? Berlin
Heinemann, Gottfried 1982: Der Mensch kann in seiner Produktion nur verfahren wie die Natur selbst. In: Grauer, Michael; Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich (Hg.): Grundlinien und Perspektiven einer Philosophie der Praxis. Kasseler Philosophische Schriften Bd. 7. Kassel
Hildebrandt, Volker 1999: Alte ‚Neue Arbeit’. In: Weg und Ziel, 57. Jg., Nr. 1. Wien
Hinz, Andreas 1990: Wirtschaft und Industrie in der DDR, Teil 2. In: Sozialist - Zeitschrift marxistischer Sozialdemokraten. H. 2; 15. Jg.
Imhof, Werner 2002: “Un syndicalisme différent” In: express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit , 4/02
Lenk, Hans; Maring, Matthias (Hg.) 1992: Wirtschaft und Ethik. Stuttgart
Löw-Beer, Peter 1981: Industrie und Glück. Der Alternativplan von Lucas Aerospace. Berlin
Müller, Birgit 1993: Der Mythos vom faulen Ossi. In: Prokla Bd. 91, 23. Jg. Münster
Nahrada, Franz 2005: Alter Wein in neue Schläuche? (Gespräch mit Andreas Exner). In: Streifzüge, H. 34. Wien
Pekruhl, Ulrich 1995: Lean Production und anthropozentrische Produktionskonzepte - Ein Spannungsverhältnis? In: Cattero, Bruno; Hurrle, Gerd; Lutz, Stefan u.a. (Hg.): Zwischen Schweden und Japan. Lean Production aus europäischer Sicht. Münster
Pernsteiner, August Wolfgang 1984: Ausufernde quantitative Arbeitsteilung und Entberuflichung. In: Zeitschrift für Ganzheitsforschung. Jg. 28, H. 1 Wien
Petersen, Gerald 2005: Innere Kündigung ist teuer, aber vermeidbar. http://mmbf.de/362/innere-kuendigung-ist-teuer-aber-vermeidbar.html
Schütz, Peter 2003: Grabenkriege in Management. Wie man Bruchstellen kittet und Abteilungsdenken überwindet. Frankf. M.
Thring, M. 1973: Man, Machines and Tomorrow. London
Ulrich, Peter 1993: Transformation der ökonomischen Vernunft. Bern
Wiesenthal, Helmut 1989: Ökologischer Konsum - ein Allgemeininteresse ohne Mobilisierungskraft? In: Stachlige Argumente - Zs. d. Alternativen Liste Berlin H.54