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(in: Telepolis 2. Juli 2022)

Über den Aufstieg – und wer aus welchen Gründen eine Spitzenposition erreicht

Eindruck schinden und durch geschickte Pflege von “Kontakten” sowie durch Dienstbeflissenheit und Folgebereitschaft gegenüber “wichtigen Personen” den eigenen Erfolg zu befördern – diese Praxis ist weit verbreitet. Gerade bei Politikern drängt sich häufig die Frage auf: Wie ist sie oder er bloß zu einer so hohen Position in der Hierarchie aufgestiegen?

Der Aufstieg von Karl-Theodor von und zu Guttenberg, erst CSU-Generalsekretär und dann von 2009 bis 2011 Bundesminister, bildet ein filmreifes Beispiel dafür, wie weit jemand mit Schaumschlägerei bzw. blendendem Auftreten kommt.

In politischen Verwaltungen zeigt sich Erfolgstüchtigkeit bei Leitungspersonen darin, Vermerke so zu schreiben, “wie man glaubt, dass die Spitze sie lesen will und nicht so, wie man es selbst für richtig halten würde”. Das sagt eine vom Tagesspiegel zitierte Mitarbeiterin der Berliner Bildungsbehörde. “So hoffe man, aufzusteigen. Sie habe beobachtet, dass Scheeres‘ (die frühere Bildungssenatorin – Verf.) Stab “immer größer wurde und sich immer mehr abschottet”. Menschen mit “Null Ahnung” bekämen Verbindungsstellen:

“Die Blase wird immer größer und alle sind per Du.” […] Es entstünden durch die sozialen Kontakte bestimmte Netzwerke, “in denen man sich gewissermaßen erkennt, ohne nach dem Parteibuch fragen zu müssen”
Susanne Vieth-Entus, Hehre Ziele, viele Reformen, schwache Leistungen, Tagesspiegel 25.1.2021

Protektionswirtschaft

Für die Erfolgtüchtigen gilt: Ihre Stärken liegen im Impressionsmanagement oder im Sich-Anbiedern, in der Pflege der Kontakte, im Taktieren und Klüngeln oder Networking. Erfolgstüchtige verstehen sich darauf, dem Erfolg mit jenseits der Leistung liegenden Tricks nachzuhelfen. Es kommt darauf an, für den Erfolg maßgebliche Personen zu beeinflussen. Relevant wird hier, wie Beziehungen und Kontakte hergestellt und verwertet werden können.

Der Erfolg zum Beispiel eines Künstlers oder Kunstwerks hängt von auswählenden Instanzen oder Torwächtern ab: Galeristen, Theaterdirektoren, Verlegern, Kritikern – und von einem guten Geschick, diese Personen zu beeinflussen. Oder von Neigung und Vermögen, die eigenen “Werke” so zu verfassen, dass sie im Milieu der Multiplikatoren und der Feuilletonisten Resonanz erzeugen und Anerkennung finden.

Nehmen wir ein nicht mehr ganz aktuelles, aber dafür umso prägnanteres Beispiel – das Buch “Brandeis” (1978) von Urs Jaeggi :

Wieso aber applaudiert der Literaturbetrieb einem Buch, dem es an literarischer Qualität so sehr mangelt, dass selbst Jaeggis Bewunderer ihre Lobeshymnen mit dem verlegenen Eingeständnis beschließen, Sprache und Stil des Autors ließen doch sehr zu wünschen übrig?

Um das zu verstehen, muss man wissen, dass Literaturkritiker sich als engagierte Intellektuelle begreifen, die jede Gelegenheit zur Bekundung ihrer kritischen Zeitgenossenschaft begierig am Schopfe packen. Und Jaeggis Roman ist da ein wahrhaft paradiesisches Angebot. Auf seinem ideologischen Grabbeltisch findet der kritische Zeitgenosse alles, was man so braucht, um als kritischer Zeitgenosse durchzugehen. […] Umweltzerstörung ? Beziehungsfrust? APO-Vergangenheit?

Der engagierte Literaturkritiker muss gar nicht mehr hinhören, denn dieser Autor nimmt ihm ja beständig das Wort aus dem Mund. Und eben dies gilt ihm als hohe Roman-Kunst, dass es aus einem Buch herausschallt, wie er in sein Feuilleton hineingerufen hat.
Schultz-Gerstein 1987, 32f.

Dem Erfolg ist häufig nicht anzumerken, inwiefern er durch Leistung oder Erfolgstüchtigkeit erzielt worden ist. Die Realität enthält immer Mischformen. Zur Mystifikation des Erfolgs trägt auch die leichtgläubige Vorstellung bei, es sei das Gute, das sich durchsetze.

Viele nehmen implizit an, künstlerische Werke bekämen “kraft des ihnen innewohnenden Wertes den ihnen gebührenden Platz in der öffentlichen Meinung” (Schücking zit. n. Ichheiser 1930, 18f.). Eine nachträgliche Rationalisierung ist weit verbreitet: Was erfolgreich ist, was sich durchgesetzt hat in der Konkurrenz, an dem muss doch wohl etwas “dran” sein.

Wie werde ich “sichtbar”?

Jutta Allmendinger (2021, 39), die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, bringt gut auf den Punkt, worum es schon bei akademischen Nachwuchskräften vor ihrer Dissertation geht:

“In Harvard wurde ich sofort Teaching und Research Asistant, war sichtbar und erhielt ein sehr kompetitives Stipendium.”

Die Probleme, vor denen Personen stehen, die vor allem ihre Erfolgstüchtigkeit trainieren, sind mannigfaltig: Wie schaffe ich es, mich der rechten Gunst der jeweiligen Schlüsselperson wert zu erweisen? Wie mache ich mich für sie unentbehrlich? Wie gewinne ich jemand für mich, ohne dass mein Vorgehen durchschaubar wirkt? Wie mache ich der Person, die ich für mich einnehmen möchte, Komplimente, ohne dass es zu “bemüht”, “plump” oder “aufdringlich” aussieht?

Wie nutze ich die Tatsache aus, dass andere solche Menschen mögen, die ihnen Wertschätzung entgegenbringen und die ihre Überzeugungen teilen? Wie kann ich einen Akzent einbringen, mit dem ich ein wenig Divergenz signalisiere, um mit meiner Demonstration von Übereinstimmung nicht als plumper Jasager zu gelten? Wie schaffe ich einen Glaubwürdigkeitsbonus für mich? Wie komme ich in karriereförderliche Seilschaften hinein?

Erfolgstüchtige entwickeln einen sportlichen Eifer, auf dieser Klaviatur gut spielen und sich auf glattem Eis sicher bewegen zu können. Ihre Leistungen betreffen weniger die Sache oder den Inhalt, auf den sie sich vorgeblich beziehen, als das Wahrnehmungs- und Urteilsvermögen sowie die Konversationskünste in Sachen Eindrucksmanipulation.

Hier erweisen sich Personen als kundig und erfahren, die ihre Erfolgstüchtigkeit einseitig zulasten anderer Fähigkeiten optimiert haben. Das erfolgstüchtige Individuum “kennt die kleinen Schliche, ist in allen Mittelchen erfahren, mit allen Salben geschmiert. Ein Meister des Durchschlängelns, ein Experte der Umwege, ein Vertrauter im Labyrinth der Untergründe.

Es versteht nicht die großen Zusammenhänge des Geschehens, das über ihn hinwegbraust. Aber es versteht sich auf kleinliche Manipulationen. Er ist zielunklar und zukunftsblind, aber ein ausgekochter Junge. Behend in allen Tricks der Hand, von der er in den Mund lebt, ist er ungelenk und steuerlos”, wo es um größere Angelegenheiten geht als seinen individuellen Erfolg (Steuermann 1932, 147f.).

Die Kosten der Erfolgstüchtigkeit

Der Schaumschläger, der Schmeichler und derjenige, der sich auf Impressionmanagement versteht, der Günstling von “wichtigen” Leuten sowie der Fachmann für Reklame in eigener Sache – jeder von ihnen hat viel Zeit, Mühe und Energie in seine Erfolgstüchtigkeit investieren müssen. Bei endlichen Kräften geht dieser große Aufwand häufig auf Kosten der eigenen Leistung und des eigenen sachlichen Beitrags.

Was für den einzelnen Konkurrenten karriere-rational sein mag, stellt, vom Standpunkt der Entwicklung seiner Sinne und Fähigkeiten durch sinnvolles Tun gesehen, häufig verlorene Lebenszeit dar.

Wer sich hocharbeitet, muss mindestens ebenso viel Anstrengung in den beharrlichen Kampf um den Aufstieg investieren wie in die eigentliche Arbeit, die angeblich mit dem Aufstieg honoriert wird. Imagepflege heißt diese Extraarbeit, die in nichts investiert wird, die also nichts hervorbringt, was irgendjemandem dienlich oder zu irgendetwas zu gebrauchen ist.

Die Konkurrenz bringt mit sich, dass ein enormer Aufwand für nichts getrieben wird, und ein gigantischer Leerlauf permanent aufrechterhalten werden muss, nur damit die einen besser dastehen als die anderen; was eben gerade nicht heißt, dass sie auch tatsächlich besser oder gar gut sind.
Gronemeyer 2012, 42

Die Abneigung gegen die Vergeudung von Energie und Arbeit sowie die Sorge um die mit der Erfolgstüchtigkeit verbundene charakterliche Fehlentwicklung bestehen zu Recht. Nicht jeder mag in informellen Gesprächen mit für die Karriere relevanten Personen klüngeln. Vielen ist es zuwider, zu langweiligen Tagungen zu reisen, in den Rotarierclub einzutreten oder Golf spielen zu lernen, um Kontakt zu Leuten zu bekommen, die Kontakte zu den “wichtigen” Personen haben.

Nicht jeder möchte sich in häufig recht steifen gesellschaftlichen Einladungen mit überzeugt wirkendem Lachen über die Witze von höherrangigen Personen und mit einnehmendem small-talk dezent bemerkbar machen. Es gilt, sich durch beifällige Kommentare zu profilieren und eigene Pfiffigkeit zu demonstrieren, ohne sich allzu sehr in den Vordergrund zu spielen. Der muss den amtierenden Platzhirschen vorbehalten bleiben.

Margherita v. Brentano (1987, 23f.), ehemals Professorin für Philosophie an der FU Berlin, beschrieb die Sozialisation im “Mittelbau” der Universitäten:

“Dass auch andere Leute als diejenigen, die an einem Professor hängen, eine Chance bei Bewerbungen haben, dass es einigermaßen objektiv zugeht, das ist im Moment sehr, sehr schwierig. […] Erst muss man so sein, dass keiner etwas auszusetzen hat; und ob sie es dann schaffen, sich als Professor später freizuschwimmen, ist fraglich.”

Die Inhalte sind verwirrend, das Ansehen der Person entscheidet

Angesichts der nicht mehr zu übersehenden Menge an Veröffentlichungen entscheidet häufig die Reputation des Verfassers.

Sie “bemisst sich nach Bekanntheit, Einfluss und Disposition über Kontakte, Beziehungen auch und gerade außerhalb der Wissenschaft. […] Reputation hat ihre Quellen nicht notwendig im Wissenschaftssystem selbst. Sie geht auch nicht notwendig mit wissenschaftlicher Qualifikation einher” (Grünberger 1981, 65).

Reputation kann aus Leistung entstehen, sich aber auch aus der Anerkennung in Szenen ergeben, in die man durch Kooptation aufgenommen wird.

Bald schnattern alle Enten im Teich auf der gleichen Skala; und wenn die eine oder andere nicht mitmacht, so erklärt die öffentliche Meinung des betreffenden Teiches, sie habe nicht die nötige Begabung.
Erwin Chargaff, zit. n. Richter 1990, 169

Man muss sich unentbehrlich machen, als Schüler, als Anhänger, als fleißiger Zuträger und Hiwi, als Teilnehmer am Zitierkartell und als Fußtruppe bei Fraktionierungen und Intrigen. So dient man sich an und dient sich hoch.

Die für die Erfolgstüchtigkeit zentrale Eindrucksmanipulation lebt von einer Voraussetzung. In der Öffentlichkeit und der Geisteswelt herrscht großes Durcheinander.

“Heute, wo alles Mögliche durcheinander geredet wird, wo Propheten und Schwindler die gleichen Redensarten gebrauchen, bis auf kleine Unterschiede, denen nachzuspüren kein beschäftigter Mensch die Zeit hat, [...] ist es sehr schwer, den Wert [...] einer Idee richtig zu erkennen.”(Musil 1981, 326).

In der Postmoderne wird aus dieser Not eine Tugend: Auf der Grundlage eines “allgemeinen Relativismus” gilt: “nichts ist wahr, nichts ist objektiv, nichts ist wirklich, alles ist konstruiert. Das ermöglicht es Trump, sich desselben Prinzips zu bedienen […]. Lee McIntyre spricht von der Post-Truth-Epoche […] Die Postmoderne hat sich jedenfalls sehr angestrengt, eine bluff-freundliche Atmosphäre aufzubauen” (Prisching 2019, 300f.).

Diejenigen, deren Stärke in der Erfolgstüchtigkeit liegt, neigen zum Zynismus in Bezug auf Ansprüche, die sich auf etwas anderes als ihr persönliches Vorankommen beziehen.

Die Frage, ob etwas zu etwas nütze ist oder nicht, wird mit dem Argument beiseite gewischt, dass ohnehin niemand weiß, was gut oder böse ist, nützlich oder schädlich, des Menschen würdig oder unwürdig”
Schumacher 1980, S. 50

Angebote, die lanciert werden, sind auf Wirkung hin getrimmt.

Die vermeintliche Neuheit des Themas, die Originalität der Diktion oder der Unterhaltungswert sollen zählen. Im Wissenschaftsbetrieb führt der Unterschied zwischen sachrational und karriererational u. a. zu einer “Überfülle von unausgereiften und unnötigen Publikationen. ‚Gettings things into print becomes a symbolic equivalent to making a significant discovery’, bemerkt Merton. Die Auswahl von Themen und Mitteilungsweisen wird reputationstaktisch und nicht allein an Wahrheit oder Klarheit orientiert.”

Die Folgen sind “der rasche Wechsel der Modethemen”, das “unerledigte Liegenlassen vielbehandelter Probleme” und die “Oberflächendifferenzierung der Terminologien” (Luhmann 1970, 243).

Bisweilen geht der Marketingcharakter mit dem Individuum durch

Ein prägnantes Beispiel stellte der frühere Außenminister Joseph Fischer (Grüne) dar. Es “geht in die Irre, wer den einstigen Rebellen mit dem Außenminister vergleicht, um so das ganze Ausmaß seines angeblichen Selbstverlustes kenntlich zu machen. Fischer kommt heute, und Fischer kam schon immer, wenn auch auf extrem unterschiedliche Weise, auf seine Kosten. Einen Teil seiner Selbstfaszination zieht er gerade aus der Erfahrung, dass er sich die verschiedensten politischen Rollen erobern kann” (Geist, Ulrich 2004, 51f.).

Dem Tricksen, der Kontaktpflege zu “wichtigen” Personen sowie anderen Geschicklichkeiten, die den eigenen Aufstieg befördern, gilt ein sportlicher Ehrgeiz. Manche nutzen bereits Aushilfs- und Ferienjobs schon während ihrer Ausbildung als Trainingsfeld, um sich Fertigkeiten der Beeinflussung von Vorgesetzten und nützliche Kniffe für das Fortkommen zulasten anderer Kollegen anzueignen.

Entsprechend Trainierende meinen, lange vor dem Ernstfall müsse man sich die Fertigkeiten für das Sich-Beliebtmachen bei Vorgesetzten sowie das Gespür für den kleinen Dienstweg und Vorformen von Korruption aneignen – im “Learning by doing”.

Bei Joseph Fischer hat sich “seine hohe politische Befriedigung von der jeweiligen Rolle längst abgelöst: er hat eine unglaubliche Fähigkeit zur Metamorphose und kann sich von Rolle zu Rolle und situativ von einer Minute auf die andere verändern. Wenn Fischer zusammen mit anderen Politikern trauert, dann schaut er am traurigsten, wenn er neben Bischöfen sitzt, wird er zum Kardinal, vor dem Weißen Haus könnte er glatt als amerikanischer Senator durchgehen, und in Israel wachsen ihm, wenn er nicht Acht gibt, Schläfenlocken” (Ebd.).

Ein aktuelles Beispiel dafür, wie weit die Parole “Inhalte überwinden” (der Satire-Partei) verbreitet ist, liefert in Serie der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder. Je nach seinem Kalkül, womit er gut ankommt, war er 2020 und 2021 für ganz scharfe Einschränkungen zur Bekämpfung der Seuche oder für sehr weitgehende Lockerungen der Corona-Maßnahmen. Anlässlich der gegenwärtigen Sorge um die Gasversorgung plädiert er für die Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, obwohl nur 11 Prozent des in Deutschland genutzten Gases in Stromkraftwerken Verwendung finden.

Söder und seinesgleichen setzen “darauf, dass Medien trotzdem ausführlich berichten und Wähler*innen den Eindruck bekommen, Atomkraft sei eine reale Alternative. Wenn die Energiepreise dann, wie allgemein erwartet wird, weiter steigen, können Söder und Co behaupten, dass das nicht passiert wäre, wenn man nur auf sie gehört hätte – und damit vermutlich sogar politisch punkten” (Malte Kreutzfeld, Taz, 22.6.22).

Schluss

In der bürgerlichen Gesellschaft mit kapitalistischer Ökonomie kommt es zu einer Fehlentwicklung von Sinnen, Fähigkeiten und Reflexionsvermögen. Die Erfolgstüchtigkeit bildet eine Teilmenge davon. Der Erfolg bekommt ein unangemessenes Gewicht.

Er rückt zum Güteausweis vor, wo der menschlich-soziale Wert von Angeboten nicht oder nur schwierig sich vergegenwärtigen lässt. Aus dieser magnethaften Anziehungskraft des Erfolgs verstärkt sich die Schwindsucht der Urteilskraft. Erstaunlich, dass dies im Lob der “Resonanz” bei Hartmut Rosa (2016) keine Rolle spielt.

Verkaufstalente und “Berater” ziehen einen guten Teil ihres recht speziellen Berufsstolzes daraus, Fertigkeiten der Überredung entwickelt zu haben, die es ihnen erlauben, selbst einen Südseeinsulaner vom Wert einer Heizdecke zu überzeugen. Auch andere Berufstätige erfreuen sich daran, Tricks, Techniken und Taktiken manipulativen Umgangs “drauf” zu haben. Im modernen Kapitalismus werden die Menschen “ständig angehalten, [...] sich besser zu verkaufen” und “mit allen Mitteln” ihre “Wettbewerbsfähigkeit” zu steigern.

Bekanntlich fördert das gerade nicht den Teamgeist und das kooperative Verhalten, wohl aber die Selbstanpreisung, das Aufschneiden, Angeben und Schaumschlagen, das Intrigieren und Beinestellen und nicht zuletzt die Meinung, dass die Ehrlichen und Gewissenhaften obsolet, also irgendwie sehr blöd sind” (Zinn 2007, 20).

Diese recht spezielle Kultur hat große Ausmaße angenommen. Sie geht nicht nur zulasten von Qualitätsbewusstsein, sondern auch auf Kosten derjenigen, die sich auf ihre Gewitztheit etwas einbilden. Diese Schlaumeier merken meist nicht, was sie als betrogene Betrüger durch ihre Korrumpierung, durch die Schwächung des Sinns für Wertvolles jenseits ihres “Erfolgs” und durch ihren Zynismus verloren haben.

Literatur

Allmendinger, Jutta 2021: “Ich durfte nicht scheitern.” Gespräch mit Steffen Huck. In: WZB-Mitteilungen, Nr. 173. Berlin
Brentano, Margherita von 1987: Interview. In: Minerva, H. 1. Berlin
Geist, Matthias; Ulrich, Bernd 2004: Der Unvollendete. Das Leben des Joschka Fischer. Reinbek bei Hamburg
Gronemeyer, Marianne 2012: Wer arbeitet, sündigt… Ein Plädoyer für gute Arbeit. Darmstadt
Grünberger, Hans 1981: Die Perfektion des Mitglieds. Berlin
Ichheiser, Gustav 1930: Kritik des Erfolgs. Leipzig (Neuauflage 1970)
Luhmann, Niklas 1970: Soziologische Aufklärung. Bd. 1. Opladen
Musil, Robert 1981: Der Mann ohne Eigenschaften. Reinbek bei Hamburg
Prisching, Manfred 2019: Bluff-Menschen. Selbstinszenierungen in der Spätmoderne. Weinheim
Richter, Horst-Eberhard 1990: Die hohe Kunst der Korruption. Berlin/DDR
Rosa, Hartmut 2016: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin
Schultz-Gerstein, Christian 1987: Rasende Mitläufer. Porträts, Essays, Reportagen, Glossen. Berlin
Schumacher, Ernst Friedrich 1980: Das Ende unserer Epoche. Reinbek bei Hamburg
Steuermann, Carl (Pseudonym für: Otto Rühle) 1932: Der Mensch auf der Flucht. Berlin
Zinn, Karl Georg 2007: Ein Tabu für die Politik? Demotivation und Verlust ‚psychischen Kapitals?. In: Sozialismus, H. 3